Flashback in die 80er...
Flashback in die 80er…
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Flashback in die 80er…

Auch dünnere Werke haben es in sich! Was die Schweizer Autorin Rebekka Salm in ihrem ersten Roman «Die Dinge beim Namen» hinlegt, ist grosse Literatur. Nein, keine Weltliteratur, sondern Schweizer Literatur, wie sie typischer kaum sein könnte.
Ein Dorf irgendwo in der Agglo, eher ländlich geblieben: Dorfladen, Metzgerei, Coiffeursalon, reges Vereinsleben, 80er-Jahre. Achtziger Jahre! Du meine Güte! Breite Schulterpolster, die Bee Gees und Vornamen wie Sandra, Regula, René, Roland und andere dieser Art.

Auf 177 Seiten lässt Rebekka Salm die Dorfbewohner von ihrem Alltag, ihren Freuden, Sorgen, Neid und Missgunst erzählen, die schliesslich immer wieder um das eine kreisen, dort anfangen oder dort enden: ein Vereinsanlass Mitte der 80er Jahre. Beim Übergriff des Mädchenschwarms Max auf die schöne Sandra – oder war es doch einvernehmlich oder hat gar sie ihn verführt!?

Aus diesen verschiedenen Blickwinkeln und persönlich gefärbten Wahrheiten beginnt sich langsam ein roter Faden zu spannen. Gegliedert in Kapitel, die jeweils das Erleben einer einzelnen Person erzählen und auch nach ihnen benannt sind. Mit ihren Übernamen die alte, mit den Vornamen die jüngere Generation: Der Vollenweider, Freddy, der alte Lysser, Sandra, Roland, der Tschudin, so erfährt man immer genauer, was an jenem kalten Februarabend 1984 – für die einen lebensbestimmend – geschah oder geschehen sein könnte. Und dann gibt es auch noch Chantal, die eigentlich anders heisst, ausserhalb des Dorfes wohnt und mehr weiss, als manche meinen. Doch ihr Schweigen ist Ehrensache. Und eben der Vollenweider, der alles aufgeschrieben hat.

Die Autorin beobachtet exakt, achtet auf Details und bringt diese in oft kurzen prägnanten Sätzen unter, mal lakonisch («Kaum war Max unter der Haube, traten andere Mitglieder des Musikvereins vor den Traualtar»), dann wieder mit feinem Humor, der auch mal schwarz sein kann («…der ausgestopfte Hirschkopf an der Wand über dem Tisch glotzte ihn unverwandt an»). Erstaunlich, dass sie selbst damals erst etwa fünf Jahre alt war! Woher nimmt sie dieses Detailwissen, diese Kenntnis, wie es in einem Musikverein nach den Proben oder an einem Unterhaltungsabend in der improvisierten Bar im Keller des Gemeindesaals zu und her ging?

Mir jedenfalls, die genau in einem solchen Dorf, mit einem solchen Laden, einem solchen Musikverein, einem solchen Vereinslokal, mit solchen Nachbarn gross geworden ist, kam alles verblüffend bekannt vor! Zwischendurch fühlte ich mich von Rebekka Salm richtiggehend durchschaut. Aber auch ermuntert, diesen längst vergangenen und teils vergessenen Jugendjahren wieder einmal ein paar Gedankenmomente zu widmen.


Rebekka Salm: Die Dinge beim Namen – Roman
Olten : Knapp, 2022. – 177 Seiten
ISBN 978-3-907334-00-3

Der Titel ist natürlich auch bei uns in der GIBZ Mediathek ausleihbar und steht bei der Belletristik unter: SALM


Beitrag von Brigit Weiss | Blogteam Mediathek
Dieser Text erschien ursprünglich als Buchtipp in der Zuger Zeitung vom 22.07.2022

6 Kommentare deaktiviert für Flashback in die 80er… 670 14 September, 2022 AKTIV September 14, 2022

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