Leseprojekte am GIBZ – Bildung kommt von Bildschirm und nicht von Buch, sonst hiesse es ja Buchung...
  • Leseprojekte am GIBZ – Bildung kommt von Bildschirm und nicht von Buch, sonst hiesse es ja Buchung…
  • Leseprojekte am GIBZ – Bildung kommt von Bildschirm und nicht von Buch, sonst hiesse es ja Buchung…
  • Leseprojekte am GIBZ – Bildung kommt von Bildschirm und nicht von Buch, sonst hiesse es ja Buchung…
  • Leseprojekte am GIBZ – Bildung kommt von Bildschirm und nicht von Buch, sonst hiesse es ja Buchung…
  • Leseprojekte am GIBZ – Bildung kommt von Bildschirm und nicht von Buch, sonst hiesse es ja Buchung…
Verfasst von

Leseprojekte am GIBZ – Bildung kommt von Bildschirm und nicht von Buch, sonst hiesse es ja Buchung…

… meinte einst Dieter Hildebrandt, deutscher Kabarettist. Ein anderer, ebenfalls verstorbener, deutscher TV-Promi, Robert Lembke (jaja, ältere Semester erinnern sich: „Welches Schweinerl hättens gern?“), bemerkte einmal lakonisch, …

…dass der Hauptnachteil mancher Bücher die zu grosse Entfernung zwischen Titel- und Rückseite sei…

Zwei humoristische Aussagen, die jedoch recht treffend die Haltung vieler Jugendlicher gegenüber einem gedruckten Buch oder Text widerspiegeln.
Nichtsdestotrotz und Pisa-Studie sei Dank, gibt es Lehrpersonen am GIBZ, die mit ihren Klassen regelmässig Leseprojekte durchführen. Ihre Lernenden suchen sich in der Mediathek jeweils eine passende Lektüre vom eigens für sie vorbereiteten Büchertisch aus.

Einige dieser Lehrpersonen gaben dem Blogteam Auskunft über ihre Erfahrungen mit dem Leseprojekt.
Nachfolgend ihre Antworten.


Weshalb führst du Leseprojekte durch, wo doch die meisten Jugendlichen nicht mehr viel mit einem Buch am Hut haben?
> Eben genau deshalb. Lesen und vor allem das Textverständnis leiden unter der Digitalisierung und der Nutzung von Smartphones & Co. Lesen stellt heute für viele Lernende etwas völlig «Neues» dar.

>Eine Aussage eines Lernenden im 1.Lehrjahr bringt es auf den Punkt: Ich erhalte einen umfangreicheren Wortschatz und kann Zusammenhänge viel besser verstehen.

> Die Lesekompetenz vieler Schüler ist nach der Sek I leider nicht ausreichend […] Einer meiner Schüler behauptete einmal, in seiner Schulzeit noch nie ein Buch ganz gelesen zu haben (erinnert gleich an die Aussage von Luca Hänni vor einiger Zeit…). In solchen Fällen mangelt es wenig überraschend an basalen Fähigkeiten (Leseflüssigkeit), von vertieftem Leseverständnis ganz zu schweigen. Lesen ist auch in der heutigen Zeit eine zentrale Fähigkeit, teilweise sogar noch wichtiger als früher.
Beispiel: Bei den Autofachleuten sind durch die neue Bildungsverordnung einige Veränderungen geplant, die u.a. bei der Schlussprüfung der Berufskunde zu Anpassungen führen wird. Diese wird tendenziell leselastiger: Schüler/innen müssen  genaue und relativ lange Aufgabenbeschreibung mit Grafiken lesen und verstehen können. Auch der handwerklich begabteste Schüler wird auf Probleme stossen, wenn sein Leseverständnis schlecht ist. Es ist ein gutes Beispiel für einen Beruf, der durch Automatisierung und Digitalisierung komplexer wird, weshalb Lernende auch anspruchsvolle technische Anleitungen verstehen und anwenden können müssen. Lernende mit schlechtem Leseverständnis könnten bei dieser Entwicklung schlechtestenfalls auf der Strecke bleiben.

Wie reagieren die Lernenden auf die Ankündigung, dass sie ein Buch lesen dürfen/müssen?
> Leider kommt es häufiger vor, dass Lernende nicht gerne lesen und entsprechend wenig erfreut auf eine Klassenlektüre reagieren.

> Die ersten Reaktionen sind meistens nicht wirklich begeisternd. Es gibt Lernende, die haben noch nie freiwillig ein Buch gelesen. Deshalb hält sich die Begeisterung in den meisten Fällen in Grenzen.

> Unterschiedliche Reaktionen: von Yeah bis Ablehnung auf diese Aufgabe. Die mimische Reaktion ist oft sehr eindeutig…

Welche Erfahrungen machst du mit deinen Klassen damit? Hat es Auswirkungen auf ihr Lese- und/oder Schreibverhalten?
> Viele Lernende schaffen es nicht, sich länger auf ihr Buch zu konzentrieren – mehrere Stunden „Netflix-Serien reinziehen, das geht. Ein, zwei Stunden konzentriert lesen, das schaffen die wenigsten.

> Grundsätzlich geht es um das Zeit geben und Musse haben, ein Buch lesen zu dürfen, das selber ausgewählt wurde. Es ist offensichtlich, dass Lernende, welche viel lesen, einen ganz anderen Schreibstil entwickeln. Diese haben meistens keine Probleme mit der Rechtschreibung und der Grammatik. Der Wortschatz ist oft überraschend vielfältig. Zwei Seiten Text lesen ist für diese Lernenden kein Problem.

> Es ist offensichtlich, dass Lesen etwas bringt. Es gibt kaum Momente, wo es im Klassenzimmer über zwei bis drei Lektionen einfach total ruhig ist und es ist schön zu sehen, wie sich die Lernenden – trotz Widerstand oder obwohl es uncool ist ein Buch zu lesen – sich darin vertiefen können und sogar die Zeit vergessen (Pausen 😉 )
Es kommt darauf an, wie man eine Lesewerkstatt gestaltet. Ich merke, dass folgende Punkte für die Lernenden wichtig sind, um Spass am Lesen zu haben:

  • Keine einheitliche Klassenlektüre, sondern freie Wahl im Belletristikbereich (inkl. Biografien und Erfahrungsberichte)
  • Kein Zwang, dazu einen Vortrag halten zu müssen – ist offenbar mit schlechten Erfahrungen aus der Volksschulzeit verbunden…
  • Zum Lesen auch aktiv und kreativ sein zu können mit ausgewählten Aufgaben (eigene Texte schreiben, Zeichnungen erstellen, Inhalte kurz zusammenfassen, …)

Gibt es Reaktionen / Aussagen von Lernenden zum Lesen, die du aufgeschnappt hast und mir weitergeben könntest.
> Die Reaktionen sind auch dieses Jahr durchwegs positiv. Die Lernenden schätzen das selbständige Arbeiten, sich die Zeit selber einteilen zu können, nicht unter einem zeitlichen Druck zustehen… Folgende Äusserungen wurden im Klassenzimmer auf einem Flip-Chart festgehalten:

  • Spannend, gute Alternative zu Film
  • Etwas Neues
  • Zeitlos
  • Man kann sich in andere Personen hineinversetzen
  • …sehr positiv, man liest das Buch aufmerksam und versteht es dann besser, weil man Stellen wiederholt lesen kann
  • Man kann in seinem Tempo arbeiten
  • Sehr bequem (in resp. vor der Mediathek)
  • Sehr anstrengend (eine Nennung!)

> Schön waren die Aussagen, dass Lernende mitteilten, dass sie sich im Flow fühlten.

Was meinst du zu E-books? Würdest du oder würden Lernenden diese eher lesen?
>Natürlich sind beim e-book einige Vorteile denkbar (insbesondere die einfachere, örtlich unabhängige Beschaffung und evtl. zusätzliche Hilfsmöglichkeiten wie ein eingebautes Glossar). Aber ich denke nicht, dass e-books eine grosse Veränderung bringen würden. Das Interesse am Inhalt und die Bereitschaft, sich mit diesem auseinanderzusetzen sind zentral. Um dies zu erreichen braucht es Erfolgserlebnisse und Geschichten, die die Lernenden interessieren. Nicht zuletzt aber auch einfach genug Übung, damit eine gewisse Leseflüssigkeit erreicht wird (erst ab dann kann man sich voll auf den Inhalt konzentrieren und diesen entsprechend geniessen) […]

> Alles was mit Lesen zu tun hat, passt. Für mich ist das haptische Gefühl eines Buches in der Hand zu halten nach wie vor sehr angenehm. Auch E-books haben Vorteile, insbesondere auf Reisen. Das Gepäck ist merklich leichter … 🙂

Weshalb würdes du Leseprojekte anderen Lehrpersonen weiterempfehlen? Weshalb nicht?
> Weil die Berufsfachschule wohl oftmals eine der letzten schulischen Möglichkeiten bietet, Jugendlichen das Lesen näherzubringen, und damit eine zentrale Fähigkeit zu fördern, die sowohl im Berufs- als auch Privatleben und vielleicht sogar für die persönliche Entwicklung der Lernenden eine wichtige Rolle spielt.

> Ich merke, dass die Lernenden Spass am Leseprojekt haben, von der Auswahl des Buches bis hin zum Lesen und Erstellen von buchbezogenen Arbeiten. Kurze Inhaltsangaben fördern zudem das Leseverständnis.

Hast du gute Tipps für jene, die damit anfangen wollen?
> Ich muss in diesem Gebiet selbst noch viel lernen. In Zukunft möchte ich versuchen, mich stärker mir der Lebenswelt der Lernenden zu befassen, um passende Schullektüren zu wählen (oder die Lernenden gleich selbst auswählen lassen). Zudem würde ich mit kürzeren Texten beginnen (wenn möglich unter 100 Seiten) und (je nach Niveau) auch Easyreader in Betracht ziehen. Für die allfällige Notengebung werde ich später vielleicht eher eine Portfolioarbeit ausprobieren, anstatt für die Überprüfung des Leseverständnisses vor allem auf Wissensfragen zu setzen.

> Wichtig ist, dass der Druck des «Müssens» wegfällt. Einheitliche Klassenlektüren sind für BM-Lernende im Zusammenhang mit Literatur sicher sinnvoll und gut. ABU-Lernende sollen einfach mal das Abenteuer Lesen wiederentdecken. Dies funktioniert nur mit der freiwilligen Buchwahl. Ich zwinge auch niemanden, Fleisch zu essen, wenn er Vegetarier ist.

Fazit: Den einen verleiht Lesen Flügel…

…den anderen nicht 😉

 

Vielen Dank den Lehrpersonen, die an der Umfrage teilgenommen haben!

Textbearbeitung/Fotos: Brigit Weiss, Blogteam, GIBZ Mediathek

>>> Wer ebenfalls einen Büchertisch für künftige Leseprojekte wünscht, melde sich in der Mediathek – wir bereiten gerne einen vor, oder stellen einen Bücherwagen mit einer geeigneten Auswahl für den Unterricht bereit.

 

4 Kommentare deaktiviert für Leseprojekte am GIBZ – Bildung kommt von Bildschirm und nicht von Buch, sonst hiesse es ja Buchung… 1555 22 Januar, 2020 AKTIV Januar 22, 2020

Folge uns

Verwandter Beitrag