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Buchbesprechung für Neue ZZ vom 6.12.2013
Brigit Weiss, GIBZ Mediathek

Klingende Namen
Juliane Henriette Ulrike von Sachsen-Coburg-Saalfeld und Anna Feodorowna –  zwei klingende Namen und beide gehören ein und derselben Frau: der russischen Grossfürstin Anna, die mehrere Jahre ihres bewegten Lebens in der Schweiz verbracht hat.

„Grossfürstin Anna : Flucht vom Zarenhof in die Elfenau“, unter diesem Titel hat die Schweizer Autorin Therese Bichsel – bekannt u.a. durch die Aufzeichnung der Lebensgeschichte von „Catherine von Wattenwyl“ oder dem Titel „Schöne Schifferin“ (Brienzersee) – den Lebensweg einer ganz besonderen Frau und starken Persönlichkeit nachgezeichnet, die ihrer damaligen Zeit, den herrschenden Moral- und Sittenvorstellungen in manchem weit voraus war.
Geboren im September 1781 im bayrischen Coburg als Juliane Henriette Ulrike von Sachsen-Coburg reist die damals 14-jährige Prinzessin mit Mutter und Schwestern nach St. Petersburg, wo sie mit Konstantin, einem Enkel der Zarin Katharina der Grossen, verheiratet und zur russischen Grossfürstin Anna Feodorowna wird. Erst viel später erfährt sie, dass sich ihre verschuldete Familie mit dieser Heirat und. mit dem dafür erhaltenen Brautpreis saniert hat und ihre Geschwister dank dieser arrangierten Ehe, als „gute Partien“ in die Königshäuser von ganz Europa einheiraten können. Ihre Schwester Victoire z.B. ist die Mutter der späteren englischen Queen Victoria.
Als erst 20jährige entscheidet sie sich nach sechs schwierigen Ehejahren ihren exzentrischen und grausamen Mann und Bruder des späteren Zaren Alexander zu verlassen und kehrt zurück nach Coburg. Nicht als gebrochene Frau, sondern als eine, die ihr Schicksal in die eigene Hand nimmt, soweit dies damals für eine Frau ihres Standes überhaupt möglich ist. Ihr Leben ist in den nächsten Jahren geprägt von der steten Sorge, ob sie vom Zarenhof weiterhin finanziell unterstützt wird und von Reisen an den Genfersee und später nach Bern, wo sie sich im  traumhaft über der Aare gelegenen „Brunnaderngut“ – das sie später in  „Elfenau“ umbenennt – eine neue Heimat aufbaut und zu einem Mittelpunkt der besseren Berner- und ausländischen Gesellschaft macht.
Zwar getrennt, aber offiziell immer noch mit Konstantin verheiratet, wird sie Mutter zweier unehelicher Kinder und heimliche Geliebte des Berner Medizinprofessors Rudolf Abraham Schiferli, den sie später zu ihrem Oberhofmeister macht und der lebenslang ihr Vertrauter und Berater bleiben wird.
Ich hätte den etwas altertümlich gestalteten Band wohl bald wieder aus der Hand gelegt, wäre es der Autorin nicht äusserst gut gelungen, aus historischen Fakten, Quellenmaterial und mit viel Einfühlungsvermögen eine spannend und flüssig zu lesende Biografie über dieses aussergewöhnliche Frauenleben zu schreiben. Und so ganz nebenbei erfährt man auch Interessantes über die europäische (Heirats-)Politik im 19. Jh. und die bewegte damalige Schweizer Geschichte (Helvetische Republik, Mediationszeit, Koalitionskriege) und den Einfluss, den Grossfürstin Anna indirekt auf diplomatische Kreise ausübte. So kam z.B. die Anerkennung der Schweizerischen Neutralität am Wiener Kongress von 1815 auch deswegen zustande, weil sich Annas Schwager Zar Alexander dafür einsetzte.
Das öffentliche Landgut „Elfenau“ feiert 2014 sein  200-jähriges Bestehen. Im Jubiläumsjahr erinnern verschiedene Aktivitäten an die Geschichte des Gutes und an dessen frühere illustre Besitzerin Anna Feodorowna www.orangerie-elfenau.ch.

 

 

2 Kommentare deaktiviert für Lesetipp 3310 18 Dezember, 2013 Media Dezember 18, 2013

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